Taktile Illusionen: Wahrnehmung und neuronale Analyse spatiotemporaler Reizmuster


Stolle, Annette M.


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URL: https://ub-madoc.bib.uni-mannheim.de/532
URN: urn:nbn:de:bsz:180-madoc-5326
Dokumenttyp: Dissertation
Erscheinungsjahr: 2003
Titel einer Zeitschrift oder einer Reihe: None
Verlag: Universität Mannheim
Gutachter: Hölzl, Rupert
Datum der mündl. Prüfung: 15 Januar 2004
Sprache der Veröffentlichung: Deutsch
Einrichtung: Fakultät für Sozialwissenschaften > Klinische u. Biologische Psychologie (Hölzl Em)
Fachgebiet: 150 Psychologie
Fachklassifikation: THES_SOZ: Psychologie ,
Normierte Schlagwörter (SWD): Tastwahrnehmung , Sinnestäuschung , Somatosensorisches System , NMR-Bildgebung , Psychophysik
Freie Schlagwörter (Deutsch): Spatiotemporale Reizverarbeitung
Freie Schlagwörter (Englisch): Tactile Perception , Tactile Illusion , Psychophysics , Somatosensory System , Magnetic Resonance Imaging
Abstract: Die Repräsentation von Reizen auf der Körperoberfläche ist eine Funktion ihrer räumlichen und zeitlichen Anordnung. Diese raum-zeitliche Interaktion in der Wahrnehmung ist die Grundlage des Saltationsphänomens, das in der vorliegenden Arbeit untersucht wurde. Bei dieser taktilen Illusion wird die Position eines Reizes örtlich verschoben wahrgenommen, wenn ihm zeitnah ein räumlich entfernter Reiz folgt (Geldard & Sherrick, 1972). Die Verschiebung ist umso größer, je kürzer das Zeitintervall zwischen den beiden Reizen ist. Entsprechend dem neuronalen Netzwerkmodell von Wiemer und Kollegen (2000) kann diese Illusion als perzeptives Korrelat der kortikalen Verarbeitungsmechanismen spatiotemporaler Information angesehen werden, bei denen die Repräsentation von Reizen im Kortex abhängig von deren zeitlicher Abfolge ist. Die dynamische Anpassung des neuronalen Netzwerkes an den Verlauf der Stimulation bildet die Grundlage für kurzfristige und längerfristige plastische Veränderungen der kortikalen Topographie und ermöglicht so eine Anpassung des Gehirns an veränderte Anforderungen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Bedingungen des Auftretens spatiotemporaler Verarbeitungsprozesse zu spezifizieren und adaptive Veränderungen des taktilen Wahrnehmungsraums und der Topographie in SI aufgrund spatiotemporaler taktiler Stimulation nachzuweisen. Zu diesem Zweck wurde zunächst eine fMRT-taugliche Experimentierumgebung aufgebaut und getestet. Im Vordergrund stand die Herstellung des Saltationseffekts. Deutlich wurde, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit des Effekts von der Verlaufscharakteristik der Stimuli abhängt und die experimentelle Anordnung, insbesondere die Methode zur Einschätzung der Reizposition, einen Einfluss auf die wahrgenommene räumliche Anordnung der Reize auf der Körperoberfläche hatte. Das in der vorliegenden Arbeit evaluierte Punktlokalisationsverfahren mit einem 3D-Positionsgeber erwies sich als hinreichend stabil und reliabel. Aufgabe der insgesamt 67 gesunden Probanden, die an den verschiedenen Teilstudien teilnahmen, war es jeweils auf die wahrgenommene Reizposition auf dem Unterarm zu deuteten. Untersucht wurde nicht nur die Punktlokalisation spatiotemporaler Reizmuster mit denen der Saltationseffekt hergestellt wird, sondern auch die perzeptive Anordnung einzelner Reize an unterschiedlichen Reizorten auf dem Unterarm. Es zeigte sich, dass die spatiale Karte Verzerrungen aufweist: in der Nähe anatomischer Markierungspunkte wie z.B. des Hand- und Ellenbogengelenks waren die Lokalisationsfehler deutlich geringer als weiter von diesen entfernt. Der Einfluss der Gelenke auf die Lokalisation einzelner Reize deutet darauf hin, dass diese Areale im somatosensorischen Kortex (SI) anders repräsentiert sind als Areale, die nicht mit anatomischen Markierungspunkten verbunden sind. In einer weiteren psychophysikalischen Studie standen überdauernde Veränderungen der Topographie der taktilen Karte durch repetitive Stimulation mit spatiotemporalen Reizmustern im Vordergrund. Die repetitive Stimulation mit spatiotemporalen Reizmustern (ca. 45 Minuten) bewirkte eine zunehmende Verzerrung der perzeptiven taktilen Karte, in deren Folge sich die Lokalisationsleistung bei einzelnen Reizen verschlechterte. Dies wurde als Hinweis auf eine beginnende Veränderung der taktilen Karte in SI interpretiert. Auch die Reihenfolge, in der die spatiotemporalen Reizmuster mit unterschiedlicher zeitlicher Abfolge vorgegeben wurden, übte einen Einfluss auf deren Repräsentation in der taktilen Karte aus. Dieser hielt jeweils nur so lange an, wie ähnliche Reizmuster vorgegeben wurden; daher wurde er als Kalibrierungsprozess des taktilen Systems interpretiert, der eine Optimierung der Verarbeitung der momentan ankommenden Information garantiert. Der abschließende Teil der vorliegenden Arbeit beinhaltet die Untersuchung zur kortikalen Repräsentation spatiotemporaler Reizmuster und der saltatorischen Reizverschiebung in SI mit funktioneller Magnetresonanztomographie. Es wurde erwartet, dass die als Saltationseffekt auftretende wahrgenommene Ortsverschiebung eines Reizes in Abhängigkeit vom Zeitintervall zu einem räumlich getrennten nachfolgenden Stimulus in SI ihre Entsprechung findet. Möglicherweise wegen mangelnden räumlichen Auflösungsvermögens der verwendeten Messtechnik konnte eine entsprechend veränderte Topographie allerdings nicht nachgewiesen werden. Die unterschiedlichen spatiotemporalen Reizmuster hatten aber einen Effekt auf die Aktivierungshöhe in SI, der insbesondere mit dem Auftreten eines perzeptiven Saltationseffekts zusammenhing. Die Veränderungen in der Aktivierungshöhe wurden daher als Nachweis summativer Verarbeitungsprozesse interpretiert, die in Einklang mit dem Netzwerkmodell von Wiemer et al. (2000) stehen.
Übersetzter Titel: Tactile Illusions: Perception and Neural Analysis of Spatiotemporal Stimulus Patterns (Englisch)
Übersetzung des Abstracts: In saltation, a sensory illusion first reported by Geldard and Sherrick (1972), cutaneous stimuli presented at a certain spatial distance are mislocalized. The amount of displacement is related to the stimulus onset asynchrony (SOA) between the spatially distributed stimuli. Wiemer et al. (2000) interpreted the phenomenon using a neural network model in terms of the dynamic behavior of somatosensory maps. According to this model, dynamic changes of the cortical topography are modulated by the time course of the stimulus patterns and long-term changes are induced by repetitive stimulation with spatiotemporal stimulus patterns. The dynamic and long-term changes in the cortical representation are related to accordant changes in the perceptual representation of the body and enable the brain to adapt to changing requirements of the environment a life-time. The general issue of the present work was to analyze and specify the conditions of spatiotemporal integrative tactile processing. Further, to demonstrate adaptive changes in the tactile perceptual map and the cortical topography due to spatiotemporal tactile stimulation. For this purpose the first part of the present work starts with the development and evaluation of the experimental arrangements, which allow tactile stimulation with the necessary stimulus characteristics to elicit the saltation phenomenon as well as investigations with magnetic resonance imaging. As could be demonstrated the occurrence of the effect depends on the stimulus characteristics and the experimental arrangement, in particular the response method affects the perceived stimulus position on the body’s surface. Task of the overall sample of 67 healthy subjects participating in the different studies was to indicate the perceived stimulus position by pointing at it. The point localization task was realized by using a 3D-Digitizer. Given that there is no information available in the known literature about the quality of the point localization errors collected with a 3D-Digitizer, it was necessary to evaluate this method. It was shown, that this method provides stable and reliable data. Since in the present work not only point localization of spatiotemporal stimulus patterns but also of single-location stimuli on different positions on the forearm were measured, a constant distortion of the perceptual body map could be demonstrated. The ability to localize stimuli seemed to be improved by the proximity to anatomical landmarks such as elbow or wrist. This indicates differences in cortical representation of areas related to anatomical landmarks compared to those which are not related. In the focus of a subsequent study, changes in the perceptual representation of the body invoked by repetitive stimulation with spatiotemporal patterns were investigated. We demonstrated that changes in the perceptual body representation increased with repetitive spatiotemporal stimulation. The distortions not only affected the perception of multiple-location spatiotemporal patterns, but also the perception of single-location stimuli. This seems to reflect learning processes related to the long-term plasticity in the somatosensory system. Therefore, sensory saltation may serve as an experimental model in future studies of neural plasticity. Furthermore, an effect of order in the trial sequence was observed in the data. Saltation patterns were processed differentially depending on the time course of the patterns before. This effect persisted as long as the same type of stimulus pattern was applied. This process seems to reflect a calibration of the tactile system, which allows optimal adaptation of the neural network to the incoming stimuli. In the last part of the present work the cortical representation of the saltation effect was investigated with functional magnetic resonance imaging (fMRI). According to the perceived displacement of the stimulus as a function of SOA to a spatial distant stimulus, the fMRI-data were supposed to show an equivalent change in the topography of the stimulus’ representation in SI. Unfortunately, this could not be demonstrated in the present study. This is most likely due to insufficient spatial and temporal resolution of the measurement technique. Nonetheless, the different time courses of spatiotemporal stimulus patterns affected the amount of activation in SI. The changes in activation could be explained by spatiotemporal summation, which is consistent with the assumptions by Wiemer and his colleagues (2000) in the neural network model. (Englisch)
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