Demokratisierung durch prozedurales Umweltrecht? Die Implementation der europäischen Richtlinien über die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Umweltinformation in der BRD


Jung, Nikola


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URL: https://ub-madoc.bib.uni-mannheim.de/1930
URN: urn:nbn:de:bsz:180-madoc-19303
Dokumenttyp: Dissertation
Erscheinungsjahr: 2006
Titel einer Zeitschrift oder einer Reihe: None
Verlag: Universität Mannheim
Gutachter: Kohler-Koch, Beate
Datum der mündl. Prüfung: 29 Mai 2007
Sprache der Veröffentlichung: Deutsch
Einrichtung: Fakultät für Sozialwissenschaften > Politische Wissenschaft (Kohler-Koch 1990-2007)
Fachgebiet: 320 Politik
Normierte Schlagwörter (SWD): Demokratisierung , Partizipation , Implementation , Umweltpolitik , Umweltverwaltung , Umweltverband , Umweltinformation , Umweltverträglichkeitsprüfu
Freie Schlagwörter (Englisch): Environmental policy , implementation , participation , European Union , Germany
Abstract: In den 1980er und 1990er Jahren vollzieht sich ein Paradigmenwechsel in der europäischen Umweltpolitik. Es wird verstärkt auf einen Instrumenten-Mix, auf die Steuerung durch Verfahren und die Einbindung eines breiten Spektrums von Akteuren einschließlich der Umweltgruppen und Bürger gesetzt. Damit schafft die EU Voraussetzungen, um einen Trend zur Demokratisierung politisch-administrativer Strukturen und Verfahren gerade auch im Bereich des Umweltschutzes in den europäischen Mitgliedstaaten weiter voranzutreiben. Vor dem Hintergrund vielfältiger praktischer Erfahrungen mit Diskrepanzen zwischen Steuerungsanspruch und Steuerungswirklichkeit ist allerdings zu prüfen, inwieweit die Demokratisierungspotenziale der europäischen Umweltpolitik bei der Implementation in den Mitgliedstaaten tatsächlich realisiert werden, und ggf. eine Analyse der Ursachen des Steuerungsversagens vorzunehmen. Die Untersuchung der Implementation der europäischen Richtlinien über die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Umweltinformation in der BRD zeigt deutlich, dass der Trend zur Demokratisierung politisch-administrativer Strukturen und Verfahren in diesem Mitgliedstaat der EU durch das europäische Umweltrecht nur noch sehr geringfügige neue Impulse erhält. Bereits auf der ersten Stufe der Implementation, d.h. der Stufe der Transformation der europäischen Richtlinien in nationale Gesetze, erfährt das deutsche Umweltrecht im Hinblick auf Informations-, Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten für gesellschaftliche Akteure wie Umweltgruppen und Bürger nur eine geringfügige Ausweitung und Stärkung. Der deutsche Gesetzgeber verzichtet auf eine innovative Interpretation des europäischen Rechts und übernimmt die moderaten europäischen Bestimmungen weitgehend, so dass kaum Impulse zu einer effektiven Weiterentwicklung der deutschen Gesetzgebung wirksam werden. Auch auf der zweiten Stufe der Implementation, d.h. der Stufe des praktischen Vollzugs der Transformationsgesetzgebung durch die (Umwelt-)Verwaltung bzw. der Nutzung der neuen gesetzlichen Informations-, Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten durch die tangierten Umweltgruppen, erweist sich die europäische Umweltpolitik als wenig demokratiebefördernd im Hinblick auf die Verbesserung der Mitwirkung und Einflussnahme gesellschaftlicher Akteure auf umweltrelevante Verfahren und Prozesse. Die relativ große Offenheit der (Umwelt-)Verwaltung gegenüber der Einbindung der Umweltgruppen, die sich seit den 1960er und 1970er Jahren etabliert hat, erfährt durch das neue Umweltrecht keine wesentliche Erweiterung. Tatsächlich wird das neue Umweltrecht in gravierenderen Konfliktfällen immer wieder restriktiv interpretiert und erlaubt dabei eine Beteiligungspraxis, die auf dem vor Inkrafttreten des neuen Umweltrechts bereits erreichten Niveau stagniert. Für die Umweltgruppen stellen sich die neu geschaffenen Informations-, Beteiligungs- und Klagerechte vielfach als zu wenig weitreichend und zu schwer handhabbar dar, um als eine attraktive Alternative zu bestehenden formellen und informellen Kanälen der Information und Mitwirkung wahrgenommen zu werden. Sie bieten insbesondere keine Möglichkeiten zur Bewältigung der grundlegenden Problematik chronischer Ressourcenknappheit. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Implementation der europäischen Richtlinien über die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Umweltinformation in der BRD keine weitere Demokratisierung der Umweltpolitik im Sinne einer signifikanten Verbesserung der Chancen der Mitwirkung und Einflussnahme gesellschaftlicher Akteure wie der Umweltgruppen gebracht hat. Als ein entscheidender Faktor für dieses “Steuerungsversagen” ist das europäische Umweltrecht selber zu betrachten, da es in seinen Innovationsansprüchen sehr moderat bleibt und insbesondere einen hohen Grad der Unbestimmtheit aufweist. Diese Defizite im Hinblick auf eine rechtliche Stärkung weniger organisations- und konfliktfähiger Gruppen im Bereich des Umweltschutzes werden auch vom deutschen Gesetzgeber nicht kompensiert, sondern genutzt, um den Status quo zu sichern, wobei das deutsche Recht gelegentlich sogar hinter den Bestimmungen der europäischen Richtlinien zurückbleibt. Auch in der Vollzugspraxis bietet die große Unbestimmtheit des Rechts vielfältige Möglichkeiten für die Akteure der (Umwelt-)Verwaltung, Mitwirkungs- und Einflusschancen der Umweltgruppen entsprechend eigener Opportunitätskalküle auszuweiten oder aber eingeschränkt zu halten. Das Fehlen innovativer Bestimmungen im Recht selber, die etwa eine materielle Besserstellung der Umweltgruppen obligatorisch machen könnten, bedeutet auch in der Praxis eine fortgesetzt schwache Stellung dieser Akteure in umweltrelevanten Prozessen und Verfahren.
Übersetzter Titel: Democratisation by procedural environmental law? The implementation of the European directives on environmental impact assessment and access to environmental information in Germany (Englisch)
Übersetzung des Abstracts: In the 1980s and 1990s, a paradigmatic change is taking place in European environmental policy. This change is characterised by an increasing reference to a mix of policy instruments, to procedural steering and by involving a broad spectrum of actors into policy making and implementation including environmental groups and citizens. Thus, the European Union generates positives prerequisites to further a trend towards democratisation in its member states, which has been leading to more openness of politico-administrative structures and procedures especially in the field of environmental policy. Nevertheless, against the background of empirical evidence concerning discrepancies between policy goals and politico-administrative practice an examination should be worthwhile whether potentials for democratisation in European environmental policy are effectively realised and, as the case may be, what causes are mainly responsible for failure. A study of the implementation of the European directives on environmental impact assessment and access to environmental information in Germany indicates that European environmental policy can exert only little impetus on a further democratisation of politico-administrative structures and procedures in this EU member state. Already in the first stage of implementation, i.e. in the stage of transforming European directives into national law, there are only few impacts on environmental policy in Germany with regard to the extension and improvement of rights to information, participation and litigation of environmental groups and citizens. The German legislation refrains from interpreting the European directives in an innovative way and accepts widely the moderate European regulations so that a noticeable participatory progress in German law cannot be launched. Accordingly, in the second stage of implementation, i.e. in the stage of putting the new instruments of environmental protection into effect by (environmental) administration actors on the one hand and making use of new information, participation and litigation rights by (local) environmental groups on the other hand, the procedural EU environmental policy proofs not to be much encouraging with regard to enhancing the involvement in and influence on environmental procedures and processes of civic actors. While the openness of the administrative system concerning the participation of environmental groups has been increasing since the 1960s and 1970s, there is no significant expansion induced by the policies under examination in the 1990s. In effect, the new environmental law is often interpreted restrictively by administrative actors when it comes to more serious conflicts and supports a culture of participation that stagnates on a level already reached before the new regulations came into force. The (local) environmental groups judge the new rights to information, participation and litigation neither to be easily used nor to offer reliable and sweeping influence. In particular, they introduce no solution for the immense problem of chronic scarcity of resources. Thus, the environmental groups don’t refer to the newly generated opportunities as striking alternatives to existing formal and informal ways to get information and take part in politico-administrative processes. To sum it up it can be said that the implementation of the European directives on environmental impact assessment and access to environmental information in Germany has not initiated any further democratisation of environmental policy in a sense of significantly improved opportunities for participation and intervention of civic actors such as environmental groups. The procedural EU environmental policy itself can be made out as a decisive cause for this failure of European governance, as it formulates rather moderate ambitions for participatory innovations and, in particular, as it shows a high degree of vagueness. The respective German legislation doesn’t compensate for these deficits with regard to legal support for groups that have otherwise little chances to organise themselves effectively and to prevail in conflicts. Instead, these deficits are used by national lawmakers to stabilise the status quo; sometimes, German law even falls behind EU standards. Finally, the considerable vagueness of the legal regulations results in manifold opportunities for administrative actors in specific cases to extend or restrict opportunities for participation and intervention of environmental groups according to 'subjective' preferences of the administration. As the legislation itself doesn’t provide for innovations such as obligations to materially improve the working conditions of environmental groups, in practice the status of these actors remains a weak one in informal as well as formal processes of environmental policy implementation. (Englisch)
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