Die Bedeutung von OTT-Diensten für die Telekommunikationsregulierung


Fetzer, Thomas


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URL: https://ub-madoc.bib.uni-mannheim.de/41418
URN: urn:nbn:de:bsz:180-madoc-414187
Dokumenttyp: Arbeitspapier
Erscheinungsjahr: 2016
Titel einer Zeitschrift oder einer Reihe: ZEW Discussion Papers
Band/Volume: 16-057
Ort der Veröffentlichung: Mannheim
Sprache der Veröffentlichung: Deutsch
Einrichtung: Sonstige Einrichtungen > ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
MADOC-Schriftenreihe: Veröffentlichungen des ZEW (Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) > ZEW Discussion Papers
Fachgebiet: 330 Wirtschaft
Freie Schlagwörter (Deutsch): Deutschland , Telekommunikationsdienst , Telekommunikationssektor , Telekommunikationspolitik , Regulierung , Wettbewerbsrecht
Abstract: 1. Substitut-OTT-Dienste, d.h. solche Dienste, die funktional mit klassischen elektronischen Kommunikationsdiensten vergleichbar sind, müssen aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit und der Technologieneutralität vergleichbaren regulatorischen Regelungen unterliegen wie klassische elektronische Kommunikationsdienste. 2. Die gebotene regulatorische Gleichbehandlung ist soweit wie möglich zunächst auf der Ebene des Gesetzesvollzugs durch die BNetzA zu verwirklichen. Nur dann, wenn das TKG nicht entsprechend auslegungsoffen ist, muss der Gesetzgeber die entsprechende rechtliche Gleichbehandlung gesetzlich normieren. Hierbei ist er grundsätzlich berechtigt, Gleichheit sowohl durch eine Ausdehnung der bestehenden sektorspezifischen Regulierung auf Substitut-OTT-Dienste als auch durch eine Rückführung der bestehenden Regulierung für alle Dienste herbeizuführen. Ausgehend vom deregulatorischen Ansatz des europäischen Rechtsrahmens steht dabei die Frage nach dem Deregulierungspotenzial am Anfang. Sie muss jedoch bezogen auf jede einzelne regulierungsrechtliche Regelung untersucht werden und kann nicht pauschal im Sinne einer Zwangsläufigkeit zur vollständigen Aufhebung der sektorspezifischen Regulierung beantwortet werden. 3. In Bezug auf die wettbewerbsbezogene Marktregulierung macht es der Bedeutungszuwachs von Substitut-OTT-Diensten erforderlich, dass diese im Rahmen von Marktdefinition und Marktanalyse stärker berücksichtigt werden, als dies bisher der Fall ist. Dies führt voraussichtlich dazu, dass von einer höheren Wettbewerbsintensität in bisher regulierten Märkten auszugehen ist, so dass die Frage nach deren Regulierungsbedürftigkeit neu zu untersuchen ist. Eine höhere Wettbewerbsintensität hat allerdings nicht zwangsläufig zur Konsequenz, dass die Vorleistungsregulierung insgesamt aufgehoben werden kann, da die durch Substitut-OTT-Dienste stimulierte höhere Wettbewerbsintensität vorrangig auf Endkundenmärkten zum Tragen kommt. Jedenfalls muss aber auch auf Vorleistungsmärkten künftig die Erforderlichkeit von ex-ante-Regulierungseingriffen stärker hinterfragt werden. 4. In Bezug auf die nicht primär wettbewerbsbezogene Regulierung in den Bereichen Kundenschutz, Datenschutz, Fernmeldegeheimnis und öffentliche Sicherheit ist festzustellen, dass der Bedeutungsgewinn von Substitut-OTT-Diensten auf die spezifische Regulierungsbedürftigkeit keinen grundsätzlichen Einfluss haben dürfte. Die mit den jeweiligen Regulierungsregimen verfolgten Ziele bestehen weitgehend unabhängig von der Wettbewerbsintensität in einem Markt. Teilweise sind die Ziele auch verfassungsrechtlich vorgegeben und damit der Disposition des einfachen Gesetzgebers entzogen. Wettbewerbsgleichheit, die zugleich den nicht dispositiven Schutzzielen Rechnung trägt, lässt sich in diesen Bereichen daher regelmäßig nur dadurch erreichen, dass auch Substitut-OTT-Dienste in die sektorspezifische Regulierung mit einbezogen werden und auf diese Weise alle Anbieter – klassischer elektronischer Kommunikationsdienste ebenso wie von Substitut-OTT-Diensten – vergleichbaren rechtlichen Regelungen unterliegen. 5. Die Gleichbehandlung aller Anbieter bei der nicht primär wettbewerbsbezogenen Regulierung könnte dadurch erreicht werden, dass künftig auch Substitut-OTT-Dienste unter den Begriff „Telekommunikationsdienst“ i.S.d. § 3 Nr. 24 TKG bzw. „elektronischer Kommunikationsdienst“ i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Rahmen-RL subsumiert werden. Der Begriff ist zentrale Schaltnorm für den persönlichen Anwendungsbereich der überwiegenden Anzahl von Einzelregelungen, die sektorspezifische Verpflichtungen der Anbieter begründen. 6. Die Subsumtion von Substitut-OTT-Diensten unter den Begriff „Telekommunikationsdienst“ wäre bereits auf Grundlage des geltenden Rechts vom Wortlaut des § 3 Nr. 24 TKG gedeckt und auch europarechtlich zulässig. In einem ersten Schritt sollte die BNetzA also erwägen, ihre bisherige Auslegungspraxis entsprechend anzupassen. 7. Aus Gründen der Rechtssicherheit könnte der nationale Gesetzgeber auch außerhalb des bzw. vor dem TK-Review eine entsprechende Klarstellung in das TKG aufnehmen. Die europäischen Richtlinien belassen hierzu einen ausreichenden Umsetzungsspielraum. 8. Eine Klarstellung des Begriffs „Telekommunikationsdienst“ im TKG könnte wie folgt vorgenommen werden: „,Telekommunikationsdienste’ in der Regel gegen Entgelt, das sowohl in Geld als auch in einer sonstigen wirtschaftlichen Gegenleistung bestehen kann, erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen, unabhängig davon, wer die Signalübertragung durchführt bzw. kontrolliert, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen;“ 9. Angesichts der rasanten Entwicklung im Bereich der Substitut-OTT-Dienste ist ein Zuwarten mit der Entscheidung, wie sie regulatorisch zu behandeln sind, bis zum TK-Review nicht empfehlenswert. Zum einen führt eine unterschiedliche Regulierung von klassischen elektronischen Kommunikationsdiensten und Substitut-OTT-Diensten bereits heute zu problematischen Wettbewerbsverzerrungen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des TK-Review möglicherweise nicht mehr korrigierbar wären. Zum anderen ist die regulatorische Gleichbehandlung der beiden Gruppen schon jetzt auf Grundlage einer teleologischen Auslegung des geltenden Rechtsrahmens möglich. Im Rahmen des TK-Review müsste unabhängig davon die Frage adressiert werden, wie künftig mit Komplementär-OTT umzugehen ist.




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